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S. 63 – 64

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Unter Paul III. (1534–1549) schlossen sich die römischen Humanisten nochmals zusammen, um systematische Antikenstudien durchzuführen. Claudio Tolomei legte 1542 das Programm der sog. Accademia della Virtù vor. [FN 339: C. Tolomei, Delle lettere libri sette. Venedig 1547, 81r–85r. G. Poleni, Exercitationes vitruvianae, Padua 1739–1741, 50–62. Tiraboschi X, 214s. M. Maylender, Storia delle accademie d'Italia. Bologna 1926–1930 V, 478ss. L. Sbaragli, Claudio Tolomei. Umanista senese del cinquecento. Siena 1939, 49 ss.] Unter anderem war auch geplant, die römischen

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Bauten der Antike systematisch aufzunehmen. Der junge Jacopo Barozzi da Vignola wurde nach dem Zeugnis seines Biographen Egnazio Danti dafür angestellt [FN 340: J. Barozzi da Vignola, Le due regole della prospettiva pratica. Ed. E. Danti, Rom 1583, Vita di J. Barozzi.]. Entsprechende Zeichnungen sind nicht erhalten [FN 341: Vgl. Einleitung, Anm. 3 => (diese verweist auf Lotz)]. Das Programm zeigt den Einfluß der Antikenstudien aus dem Pontifikat Leos X. Aber im Mittelpunkt stehen Vitruv und philologische Fragen. Die Bauaufnahmen sollten zum Verständnis des Textes dienen. Im Ganzen fehlte der Accademia della Virtù die klare Zielsetzung, die die Vorarbeiten Giuliano da Sangallos und Raffaels bzw. ihrer Helfer auszeichnen. Man wollte alles zugleich und hatte doch nur private Mittel zur Verfügung. So blieb der Effekt am Ende gering.

Guillaume Philandrier, der im Kreis der Accademia della Virtù verkehrte, berief sich 1544 auf das Urteil der Gebrüder Sangallo zu Vitruv-Problemen [FN 342: Kap. VII, Anm. 305]. Antonio da Sangallo begann um 1539 den Bau einer Villa für Marcello Cervini, den führenden Kopf der Akademie [FN 343: D. Coffin, Pope Marcellus II and architecture. In: Architectura IX, 1979, 11–29]. Im gleichen Jahr machte Antonio einen neuen Ansatz zu einer Vitruv-Illustrierung, die er 1531 geplant hatte. Vermutlich besteht eine gewisse Verbindung zwischen diesen Vitruv-Studien Antonios und der Accademia della Virtù. Man könnte fast vermuten, daß Giovanni Battistas Vitruv-Illustrationen letztlich einen Versuch darstellen, das Programm Tolomeis in bescheidenem Rahmen zu realisieren, wenn sie nicht von so schlechten Vitruv-Übersetzungen begleitet wären. Als Antonio im Gefolge Pauls III. 1539 Tivoli besuchte, vermaß er den berühmten Rundtempel [FN 344: Kap. VI, Anm. 12]. Das ist die aufwendigste Bauaufnahme, die er seit den Arbeiten für den Romplan Leos X. durchführte!