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398

[Fortsetzung von S. 397]

[Cervini] starb 1555 und Pio da Carpi 1564 — eine große einende Institution gefehlt zu haben, die die Schirmherrschaft übernommen hätte. Als Zentrum und Treffpunkt der "Studiosi" hätte der Vatikan mit seiner reichen Bibliothek, einer Sammlung kostbarer Handschriften und der Antikensammlung im Belvedere dienen können, und das Pontifikat Marcellus' II. (Marcello Cervini † 1555) hätte hierfür wohl auch eine Chance geboten, wäre der Humanist auf dem Papssthron nicht schon im ersten Jahr [sic!] seiner Regierung verstorben.

Ein Vorhaben wie die enzyklopädische Romerforschung konnte nur durch das Zusammenwirken von Gelehrten und Förderern, die gleichzeitig auch Sammler waren, realisiert werden, denn der Antike bemächtigte man sich vor allem sammelnd. Lassen wir das zum Studium antiker Architektur gehörende Vermessen antiker Gebäude und Ruinen durch die Renaissancekünstler einmal beiseite [sic!], sind es vor allem die Sammlungen, die eine der wichtigsten Voraussetzungen für das Florieren der Antikenwissenschaft bildeten. Schon Antonio Agustin (1517 - 1586) hatte darauf hingewiesen, daß auch dei Antikensammler, die sich mit ihren Sammlungen gar nicht studierend auseinandersetzten hoch zu schätzen seien, schufen sie doch durch die ihnen zur Verfügung stehenden materiellen Mittel, die den Gelehrten in der Regel fehlten, diesen durch den Aufbau der Sammlungen eine Forschungsgrundlage.[FN 3] Gesammelt wurden zunächst Münzen und Medaillen, dann Inschriften, Büsten, Hermen, Reliefs und Statuen, denn das Sammeln geschah parallel in den studioli der Palazzi und den Kompendien der Gelehrten. Die einen sammelten die antiken Gegenstände selbst als materielle Voraussetzung für die Studien, die anderen sammelten das Wissen hierüber und erstellten Dokumentationen von Objekten, die sich nicht in Privatsammlungen zusammentragen ließen wie die großteils noch in situ dokumentierten Inschriften.

Weist eine Sammlung beide Materialgruppen des Romstudiums, antike Objekte wie Kompendien in einander komplementär ergänzender Form auf, kann sie als Stellvertreterin für das antike Rom bezeichnet werden: in ihr ist als ideale Voraussetzung des Antikenstudiums das, was sie an Studienmaterial nicht enthalten kann durch schriftliche Dokumentationen wie Inschriftenbände und Rompläne ergänzt und so einem Mikrokosmus gleich alles an einem Ort vereint, was sich in der Stadt über viele Quadratkilometer verstreut befindet.

Es sei hier die These vertreten, daß die Farnese-Sammlung in diesem Sinne beispielgebend war. Seit dem sensationellen Zufallsfund der Kolossalstatuen in den Caracalla-Thermen 1545, die Paul III. zum Palazzo Farnese transportieren ließ, stand sie ständig im Brennpunkt des […]

 

FN 3: I Discorsi del S. Don Antonio Agustin sopra le medaglie et altre anticaglie. Divisi in 11 Dialoghi tradotti dalla lingua spagnuola in italiana, Venezia o.J., S. 1.