Anonymus 2 = sog. "Kopist des Anonymus Destailleur"
Bezeichnung
Für diesen Zeichner prägte Hermann Egger in seinem Katalog der stadtrömischen Antikenzeichnungen der Wiener Albertina [Egger 1903, S. 12f.] den Notnamen Kopist des Anonymus Destailleur mit der dazu gehörigen Abkürzung `K. d. A. D.' Obwohl diese Bezeichnung eine einseitige Abhängigkeit der Wiener Blätter vom Anonymus Destailleur suggeriert, die so nicht aufrecht erhalten werden kann, wird sie aufgrund ihrer inzwischen erfolgten Etablierung hier vorläufig beibehalten und zur Abkürzung durch Fortlassung der Punkte weiter verkürzt (KdAD).
Charakteristik der Hand
Masslinien | Die linke Hälfte der Maßlinien benutzt der Schreiber sehr häufig als Anstrich zum senkrechten Unterstrich des „p“, so dass dieser aus jener direkt in einem Zug hervorzugehen scheint. |
Dieser Buchstabe zeichnet sich vor allem durch einen j-förmig nach links geschwungenen Abstrich aus; gelegentlich auch durch einen auffälligen Unterstrich, der in einer großen Schleife nach links überführt wird und in einem den Buchstaben unterstreichenden Querstrich ausläuft. Vom Anonymus Destailleur wird dieses Merkmal -- wie in der Schrift der Zeit üblich -- zur Abkürzung des „per“ bzw. „par“ benutzt, bei diesem Zeichner erscheint es dagegen eindeutig als Kürzel für das Fußmaß „piede“. | |
Ein weiteres auffälliges Merkmal ist die Schreibweise dieser Ziffer, deren Unterschwung in seiner Richtung nicht dem oberen folgt, sondern wie bei einem kleinen c nach rechts verläuft. |
Die anderen Ziffern und Buchstaben dieser Hand ähneln denen des Anonymus Destailleur sehr weit gehend.
Zum angeblichen Kopisten-Status dieses Anonymus
Der "Kopist des Anonymus Destailleur" erweist sich in vielen seiner Darstellungen zwar als von denen des Anonymus Destailleur abhängig, es lassen sich aber ebenso Details beobachten, die er nicht vom Anonymus Destailleur oder anderen Zeichnungen übernommen hat bzw. haben kann, die also eine Anwesenheit vor Ort – besonders in den Antikenaufnahmen, aber z.B. auch im Falle seiner Zeichnungen zum Palazzo Farnese – voraus setzen. Da diese Abweichungen sich auch nicht als spätere Ergänzungen ansehen lassen, sondern genuin in die Zeichnungen eingebunden erscheinen, folgt hieraus eine Gleichzeitigkeit der Zeichner und eine gemeinsame Tätigkeit vor Ort. Das Auftreten von Zeichnungen, für die es im Codex Destailleur D keine direkten Parallelen gibt, unterstützt diese Interpretation, zumal ein Verlust einzelner Blätter aus dem Codex in größerem Umfang zumindest unwahrscheinlich oder sogar auszuschließen ist.
Zudem spricht die jeweilige Geschlossenheit der beiden auf den Anonymus Destailleur und den KdAD zurückgehenden Zeichnungsgruppen in Berlin und Wien für eine gewisse Unabhängigkeit. Die wenigen Beispiele, in denen der KdAD im Codex Destailleur D auftritt, sind eher geeignet, die These von der zeitweiligen Zusammenarbeit zu stützen, indem sie sich als verworfene Zeichnungen des einen Beteiligten ansehen lassen, die vom anderen dann weiter verwendet wurden. Ein besonders gutes Beispiel ist hierfür die Querschnittsdarstellung des Wasserleitungssystems der Porta Maggiore (CDD, Bl. 66v), einer offensichtlich durch den Anonymus Destailleur ausgestrichenen Skizze. Darüber hinaus ist der KdAD im Codex Destailleur D eindeutig in den Bll. 3 und 12v identifizierbar.