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[Fortsetzung von S. 100]

[Matal] machte detaillierte Angaben über die Maße der Bronzetafel, über die Länge der Schriftzüge und über die Form der Buchstaben. Sein Versuch, aus der Untersuchung der Buchstabenformen Anhaltspunkte für eine Datierung der Tafel zu gewinnen, verdient eine besondere Beachtung, [Fn 2] denn das Verfahren, das Alter eines Textes aus dem paläografischen Befund abzuleiten, war Matal von seinen Handschriftenstudien her vertraut. [Fn 3] Es lag für ihn somit nahe, die paläografische Methode auf das Forschungsfeld der Epigraphik zu übertragen.

Die Erkenntnis, dass die Buchstabenform wichtige Hinweise zur Datierung epigrafischen Materials gibt, wird im Allgemeinen erst Smetius zugeschrieben, der 1565 im Widmungsbrief an Marc Laurin, den er seiner Inschriftensammlung beigab, auf diesen Aspekt einer wissenschaftlichen Epigrafik eingeht. [Fn 4]. Antoni Agustín empfahl in seinen Diálogos de medallas, inscriciones y otras antiguedades von 1587 ebenfalls das Studium der Buchstabenformen, um Anhaltspunkte für die Datierung von Inschriften zu erhalten. [Fn 5] Die Grundlagen zu diesem Buch hatte Agustín in jenen Jahren gelegt, als er mit Matal in Rom zusammenarbeitete.

In Vorlagentreue und Sorgfalt der Texterstellung dürfte sich Matal an der Mailänder Sylloge seines Lehrers Andrea Alciati orientiert haben; [Fn 6] denn bereits sie illustrierte gelegentlich das ganze Denkmal, dessen Inschrift sie verzeichente. Qualitätsvolle Zeichnungen eines lombardischen Künstlers des frühen 16. Jahrhunderts [Fn 7] bilden die Denkmäler, die Alciati ausgewählt hatte, in perspektivischer Ansicht getreu ihrem Erhaltungszustand ab; auf restauratorische Ergänzungen wird verzichtet. Der Zeichner dokumentiert die bildhauerische Dekoration; Alciati versucht, die dargestellten Figuren und Gegenstände zu deuten.

 

Fn 2: [Ferrary 1985; 422] (und die Abbildungen vor ebd., 435): "Ce qui est nouveau dans les lignes de Metellus […] c'est l'argument chronologique tiré de la forme des lettres."

Fn 3: S. oben Kap. A/3.2. Exemplarisch für dieses Verfahren ist die Untersuchung des codex Palatinus der Agrimensoren, die Matal im Sommer 1564 in Köln vornahm. Matal leitet aus der Buchstabenform und Orthografie eine überraschend stimmige DAtierung der Handschrift her. (BAV Rom, Pal. Vat. lat. 1564, fol. 150v: 1564 Juli 1, KölnN Jean Matal an Dr. med. Johannes Bachoven von Echt in Köln): Hic enim ex litterarum forma et orthographiae ratione proxime Caroli Magni saeculum scriptus est.

Fn 4: [Smet 1588: o.S.] – Dazu s. [Daly Davis 1994: 90f.]

Fn 5: Auf die Frage, wie man die ältesten Inschriften erkenne, erwiderte Agustín [Daly Davis 1994: 107 (nach [Agustín 1592])]: Dalle persone e dalle cose di che si tratta e da alcune ortogafie traslasciate dall'uso.

Fn 6: Matals große Inschriftensammlung spart die von Alciati untersuchte Region offenbar bewusst aus. Das deutet darauf hin, dass ihm Alciatis Sylloge als Ergänzung zu seiner eigenen Arbeit vorlag. 

Fn 7: [Daly Davis 1994: 83] weist darauf hin, dass die Antikennachzeichnungen aus der lombardischen Schule, die sich in den Handschriften der Alciati-Sylloge befinden, unbearbeitet geblieben sind.