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Undogmatisch denkend, erkannten Agustín und Matal die Aufgabe, die ihr rechtshistorisches Projekt stellte, in ihrer ganzen Breite. In ihren Studien zum römischen, zum byzantinischen und zum kanonischen Recht ergänzen sich
- die philologische Aufarbeitung der überkommenden Rechtstexte
- die Ausdeutung der Rechtsquellen mit Hilfe der antiken Literatur
- die Ausdeutung der Rechtsquellen mit Hilfe der antiquarisch-archäologischen Hinterlassenschaften der griechisch-römischen Antike.
Beide [= Agostín und Matal] bedienten sich der Errungenschafen a) der humanistischen Textphilologie, b) der Literatur- und Geschichteswissenschaft, und c) der antiquarisch-früharchäologischen Forschung, um durch eine Verknüpfung dieser Erkenntnisfelder ein verbessertes Verständnis der Rechtsquellen zu erreichen und die Schätze antiker Kultur für ihre Gegenwart nutzbar zu machen. [Fn 2] Die Interdisziplinarität ihres Forschungsansatzes, dem jede Scheuklappen-Mentalität fremd war, beeindruckt nicht nur, wenn man sie am damaligen Entwicklungsstand der Geschichts- und Altertumswissenschaften misst, sondern verdeint auch in der Forschungslandschaft des 20. Jahrhundert Beachtung und Bewunderung.
Die antiken Inschriften, Münzen und Medaillen boten Agustín und Matal ein umfangreiches, oft präzise datiertes Datenmaterial zur Geschichte der römischen Institutionen, der Staatsorganisation, Gesetzgebung und Verwaltung, der römischen Magistrate und des Militärwesens. [Fn 3] Sie enthielten vielfälrige Informationen über Religion, Mythologie, das öffentliche und private Leben. Vora llem die Münzen boten einen beachtilichen Schatz an figürlichen und ikonograischen Informationen, nicht zuletzt Abbildungen von antiken Bauten und Monumenten. Inschriften verwiesen auf den jeweiligen Sprachstand zur Entstehungszeit der Rechtsquellen; Date, die für eine philologisch-historische Beurteilung undatierter Rechtstexte hilfreich waren. [Fn 4] Inschriften und Münzen der römischen Antike waren Quellen von unschätzbarem historischem, literaturgeschichtlichem, sprachgeschichtlichem und kunsthistorischem Wert.
Fn 2: Die Klassische Archäologie würdigt mittlerweile den starken Gegenwartsbezug, der den antiquarischen Studien der Renaissance eigen ist: WREDE 1994; WREDE 1998, 83ff.
Fn. 3 CRAWFORD 1993, 135: "It was as lawyers that Agustín and Matal came to the inscriptions of the Roman world, seeking to use them as evidence for Roman institutions, in turn essential for the understanding of the historical context which had produced the legal texts on which they worked."
Fn. 4 Ebd., 2.