1. Zusammenfassung
1547 veröffentlichte der Sieneser Humanist, Philologe, Historiker und spätere Bischof Claudio Tolomei (1492–1556) einen Brief an Agostino de’Landi, in dem er 1542 das umfangreiche Publikationsprogramm einer großen Gruppe von Gelehrten, Architekten und Künstlern vorgestellt hatte, welches der Rekonstruktion und dem Transfer allen theoretischen und praktischen Wissens über die antike Architektur sowie der Erschließung und Deutung ihrer kulturellen Kontexte für die Neuzeit dienen und mindestens 24 Bänden umfassen sollte. Dieses Projekt gilt bisher bis auf eine Publikation (Guillaume Philandriers Annotationes zu Vitruv, Rom 1544) und einen Band mit Zeichnungen nach antiken Reliefs (Codex Coburgensis) als nicht realisiert. Die genannte Gruppe im Umkreis Tolomeis wurde bisher zudem (auch vom Verfasser) irrtümlich mit der «Accademia della Virtù» identifiziert, der Tolomei und einige andere Gelehrte dieses Netzwerks tatsächlich angehörten, die sich jedoch überwiegend philologischen Fragen widmete.
Beide Auffassungen müssen jetzt revidiert werden: Tatsächlich legen meine neueren Forschungen und Funde nahe, dass Tolomeis Projekt durch ein Netzwerk, welches sich «Accademia de lo Studio de l’Architettura» nannte, fast vollständig realisiert wurde. Die meisten der von diesem großen, arbeitsteilig und selbst nach heutigen Maßstäben methodisch erstaunlich modern vorgehenden Personenkreis erarbeiteten Ergebnisse sind bisher kaum oder nicht erschlossen bzw. wurden nicht im Zusammenhang ihres gemeinsamen Entstehungskontextes gesehen — ebensowenig wie eine große Zahl wichtiger, zwischen ca. 1540 und etwa 1630 entstandener Publikationen, die z. T. als die bedeutendsten «antiquarischen» Schriften ihrer Zeit und als Grundsteine der modernen altertumswissenschaftlichen Disziplinen angesehen werden (können). Die engen Beziehungen ihrer Autoren zueinander oder — im Falle der später erschienenen Publikationen — zu Mitgliedern der Accademia bspw. als deren Schüler oder ‘Erben’ ihrer Materialien — und die oft nahezu perfekte Übereinstimmung dieser Publikationen mit den Beschreibungen einzelner Bände in Tolomeis Programm lassen es jedoch als sicher oder zumindest sehr wahrscheinlich erscheinen, dass diese Schriften dem Projekt der Accademia zugerechnet werden können. Die Rekonstruktion dieses Projektes und die Erschließung der durch die Accademia erarbeiteten, noch weitgehend unbearbeiteten Materialien durch und für die Forschung lassen nicht nur eine Vielzahl neuer Erkenntnisse zu einer riesigen Zahl antiker Objekte erwarten, sondern auch eine weitgehend neue Sicht auf die römische Antike, ihre wissenschaftliche Rezeption in der Renaissance, die Wissenschaftsgeschichte historisch arbeitender Disziplinen sowie die Geschichte der (auch natur-) wissenschaftlichen Methodik, welche in diesem Projekt vorgeprägt wurde.
Beide Auffassungen müssen jetzt revidiert werden: Tatsächlich legen meine neueren Forschungen und Funde nahe, dass Tolomeis Projekt durch ein Netzwerk, welches sich «Accademia de lo Studio de l’Architettura» nannte, fast vollständig realisiert wurde. Die meisten der von diesem großen, arbeitsteilig und selbst nach heutigen Maßstäben methodisch erstaunlich modern vorgehenden Personenkreis erarbeiteten Ergebnisse sind bisher kaum oder nicht erschlossen bzw. wurden nicht im Zusammenhang ihres gemeinsamen Entstehungskontextes gesehen — ebensowenig wie eine große Zahl wichtiger, zwischen ca. 1540 und etwa 1630 entstandener Publikationen, die z. T. als die bedeutendsten «antiquarischen» Schriften ihrer Zeit und als Grundsteine der modernen altertumswissenschaftlichen Disziplinen angesehen werden (können). Die engen Beziehungen ihrer Autoren zueinander oder — im Falle der später erschienenen Publikationen — zu Mitgliedern der Accademia bspw. als deren Schüler oder ‘Erben’ ihrer Materialien — und die oft nahezu perfekte Übereinstimmung dieser Publikationen mit den Beschreibungen einzelner Bände in Tolomeis Programm lassen es jedoch als sicher oder zumindest sehr wahrscheinlich erscheinen, dass diese Schriften dem Projekt der Accademia zugerechnet werden können. Die Rekonstruktion dieses Projektes und die Erschließung der durch die Accademia erarbeiteten, noch weitgehend unbearbeiteten Materialien durch und für die Forschung lassen nicht nur eine Vielzahl neuer Erkenntnisse zu einer riesigen Zahl antiker Objekte erwarten, sondern auch eine weitgehend neue Sicht auf die römische Antike, ihre wissenschaftliche Rezeption in der Renaissance, die Wissenschaftsgeschichte historisch arbeitender Disziplinen sowie die Geschichte der (auch natur-) wissenschaftlichen Methodik, welche in diesem Projekt vorgeprägt wurde.