Vergleichbare Darstellungen
Zeichnungen
Florenz: Uffizien
- 261A r: Antonio da Sangallo d. J.: Entwurf zur Laternenspitze: Die Pentimenti dieser Zeichnung zeigen noch einen ursprünglich vierstufigen Ring unterhalb des zentralen Kegels, der dann in einen fünfstufigen umgewandelt wird: Genau dies geschieht bemerkenswerter Weise auch im vorliegenden Blatt 84r. Da im Uffizienblatt jedoch ein ungeteiltes, glockenförmig geschwungenes Kuppelprofil angedeutet ist, wäre U 261A r mit hoher Wahrscheinlichkeit in relativ kurzem zeitlichen Abstand vor der Anfertigung der Zeichnung durch den Anonymus Destailleur.
- 262A r: Antonio da Sangallo d. J.: Laternenspitze: Für diese Darstellung gilt das soeben Gesagte: Besonders der im Uffizienblatt offensichtlich versuchsweise skizzierte Ersatz eines der kleinen Kegel, die die mittleren Kegel umgeben, durch einen Baluster ist im vorliegenden Blatt wieder zurück genommen, so dass das Uffizienblatt vermutlich eine früherer Planungsstufe darstellt.
- 267A r: Antonio da Sangallo d. J. und Mitarbeiter: Schnitt der Kuppel: Im Vergleich mit U 267 A ist auffällig, dass der Zeichner des vorliegenden Blattes viele Details genauer wiedergibt und – durch Angabe der Maße – sogar eine größere Genauigkeit erreicht, als sie dem konsequent im Modellmaßstab von 1 : 30 ausgeführten Uffizienblatt zu entnehmen gewesen wäre – eine Abhängigkeit von diesem ist also auszuschließen: So erreichen z. B. die Maße mit einem Zwölftel-palmo – wenn dieser als palmo del modello gesehen wird – eine Genauigkeit von 0,62 mm: ein Maß, das im Bereich der Federstrichstärke der Uffizien-Zeichnung(en) liegt und somit die genaue Abnahme von Einzelmaßen aus diesem gar nicht zuließe. Darüber hinaus wären Details wie die Grundrisse der einzelnen Kapitelle und andere Tiefenmaße von U 267 A nicht zu übernehmen gewesen, da sie dort nicht dargestellt sind. Auch das im Uffizienblatt durch eine geknickte Linie mit der Beischrift „andito per andare si sulla cornice tonda“ klar benannte Fußbodenniveau eines Verbindungsgangs zwischen dem unteren Balustradenumgang im Kuppelinnenraum und dem untersten Tambourumgang mit einfacher Balustrade ist als ein Detail anzusehen, auf dessen Darstellung der Anonymus Destailleur sicherlich nicht verzichtet hätte, wenn ihm dieses Blatt bekannt gewesen wäre. – Ein weiteres Indiz für diese Annahme ist in der Tatsache zu sehen, dass Sangallo auf dem Uffizien-Blatt die bekannte Anweisung zur Konstruktion des Ovals gibt, die damit – sollte sie nicht viel später erst auf dieses Blatt aufgezeichnet worden sein, was zumindest unwahrscheinlich ist – vom Anonymus Destailleur ignoriert worden wäre, was bei seinem ausgeprägten Interesse an Details unwahrscheinlich ist. – Zudem fehlen auf dem vorliegenden Blatt wiederum einige Details, die auf U 267A deutlich erkennbar dargestellt sind. Dazu gehören u. a. eine Entwässerungsleitung zwischen den Tambourumgängen und der Durchgang zur unter dem ersten Tambourgeschoss verlaufenden Balustrade, von dem in U 267 A zumindest die Fußbodenlinie angegeben ist (wenn auch sonstige Angaben wie Höhe usw. vollständig fehlen). Der Anonymus Destailleur scheint sich – im Gegensatz zu Sangallo – dieses mangelnden Zugangs nicht bewusst gewesen zu sein. Dass der Zeichner einige Details (z. B. den Fuß der Kegelspitze der Laterne) noch als Skizzen wiedergegeben hat, schließt m. E. einen Flüchtigkeitsfehler in diesem Fall jedoch mit hoher Wahrscheinlichkeit aus. – Da es auf U 267A aber eine wesentliche Änderung in der gesamten Gestalt der Kuppel gibt – die Innenlinie ist um gut 5 cm nach außen verschoben worden, allerdings nicht nur als einfache Verschiebung, sondern als Projektion, d. h. dadurch haben sich vor allem die Maße von Durchmesser und Höhe entscheidend geändert –, an deren Ende offenbar die endgültigen Maße standen, der Anonymus Destailleur aber genau diese Maße schon zur Verfügung hatte und auch das Innenprofil seiner Kuppelzeichnung offenbar deutlich oval ist (wenn auch keine direkten Konstruktionshinweise wie Zirkeleinstiche mehr zu sehen sind), scheint die Annahme naheliegend, dass die Uffizienzeichnung dem AD unbekannt war, aber vor Bl. 84 zu datieren ist. Für die Annahme, dass das Blatt U 267A nicht in die Werkstatt gelangte, sprächen auch der gute Erhaltungszustand – es gibt praktisch keinerlei Abnutzungsspuren – und der Umstand, dass das Blatt sich im privaten Nachlass Sangallos erhalten hat. Es dürfte also so etwas wie ein Arbeitsblatt des Architekten – allerdings in einem sehr späten, weitgehend ausgereiften Stadium – darstellen, dem eine Festlegung der einzelnen Details zu folgen hatte. Der Kommentar mit der Beschreibung der Bogenkonstruktion ließe sich dann so deuten, dass er weniger als Gedächtnisstütze für Sangallo gemeint war, als vielmehr zur Erläuterung für jemanden wie vielleicht Labacco diente und einen mündlichen Kontakt ersetzen mußte – hielt sich Sangallo in dieser Zeit nicht häufig außerhalb Roms auf?
Stockholm: Nationalmuseum, Sammlung Tessin
- Blatt [?]: Antonio Labacco [?]: Schnitt durch die Kuppel des Modell-Projekts: Die im Vergleich zur vorliegenden Zeichnung des Anonymus Destailleur recht wenigen Maße sowie die Details auf dem Stockholmer Blatt stimmen zwar weitgehend mit denjenigen des Berliner Blattes überein, jedoch nicht bis in alle Einzelheiten, so dass eine direkte Abhängigkeit zwischen den beiden Zeichnungen ausgeschlossen werden kann.
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Beispielwerte für abweichende Maßangaben | Stockholm | Berlin | |
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Länge des Durchgangs zwischen Inneraum und unterem Umgang | 22 | > | 21 1/2 |
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Abstand der Pilaster an den Querwänden des unteren Umgangs | 8 1/2 | > | 8 5/12 |
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Weite der Türöffnung in den Querwänden des unteren Umgangs | 6 | < | 6 1/2 |
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Breite der Pilaster an den Querwänden des oberen Umgangs | 3 1/2 | < | 3 7/12 |
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lichte Höhe der Türöffnung im oberen Umgang | 15 1/2 | > | 15 5/12 |
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Säulenschaftdurchmesser der Laternen-Ordnung (unten) | 3 1/4 | < | 3 5 /12 |
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Kapitellhöhe der Laternen-Ordnung | 3 3/4 | > | 3 1/3 |
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Architravhöhe der Laternen-Ordnung | 2 1/3 | = | 2 1/3 |
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Frieshöhe der Laternen-Ordnung | 2 1/3 | > | 2 |
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Höhe des Gesimses der Laternen-Ordnung | 2 5/8 | < | 3 |
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Gesamthöhe des Gebälks der Laternen-Ordnung | 7 | < | 7 1/2 |
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Gesamthöhe der Säulen inkl. Basis und Kapitell | 33 1/4 | < | 33 5/6 |
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Sockelhöhe unter der oberen großen Volute | 6 | > | 5 |
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max. Durchmesser des Hohlraums in der Laternenspitze | 29 1/2 | > | 29 |
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Neben solchen eher unbedeutenden Maßabweichungen sind es besonders gravierende Unterschiede in der architektonischen Gestaltung, die für eine Unabhängigkeit der beiden hier interessierenden Zeichnungen voneinander sprechen: So fehlt auf dem Stockholmer Blatt – im Gegensatz zum Berliner und ebenso zum Modell selbst sowie den Salamanca-Stichen jeglicher Hinweis auf den mit einer Balustrade versehenen Umgang zwischen dem ionischen und dem korinthischen Tambourgeschoss.
Die auf den ersten Blick informationsreiche Angabe derKuppeldurchmesser auf dem Stockholmer Blatt für unterschiedliche Höhen erweist sich als wenig hilfreich, da konkrete Angaben über die jeweilige Höhenwerte selbst fehlen. Sie ließen sich möglicherweise mit Hilfe von Sangallos Konstruktionsvorschrift auf Uff. 267 A rekonstruieren, dies kann aber kaum die Intention des Zeichners gewesen sein, da die Wiedergabe dieser Vorschrift umständlicher erscheint als die einfache Angabe der absoluten oder relativen Höhen. Zumindest lassen diese Angaben in der Stockholmer Zeichnung annähernde Rückschlüsse auf die Form der Kuppel zu, während die summarische Angaben des Berliner Blattes dies nicht tun. Dort ist jedoch eine Reihe von weiteren Maßen zun den Ordnungen des Innenraums angegeben, die sich wiederum auf dem Stockholmer Blatt nicht finden. Insgesamt lassen diese Umstände sowie das Fehlen jeglicher Hinweise auf eine Kassettierung des Kuppelinnenraums im Berliner Blatt den Schluss zu, dass dieses zu einem früheren Zeitpunkt entstanden und weder die Stiche noch das Stockholmer Blatt dem Anonymus Destailleur bekannt gewesen sein dürften. Gleichzeitig scheint der Zeichner des Stockholmer Blattes keinen Zugriff auf die Vielfalt der Maßangaben des Berliner Blattes oder kein Interesse an ihrer Wiedergabe gehabt zu haben: Dies ließe sich nicht nur mit den augenscheinlich zwischen den Entstehungszeitpunkten beider Blätter erfolgten Planänderungen erklären, sondern könnte seine Ursache auch darin haben, das der Codex Destailleur D – wie hier aufgrund vieler Indizien angenommen – recht früh nach seiner Entstehung nicht mehr in Rom verfügbar war.
Drucke
Salamanca:
Die Salamanca-Stiche weichen in einer Vielzahl von Details von den vorliegenden Zeichnungen ab, so dass eine direkte Beziehung oder ein Abhängigkeitsverhältnis in beiden Richtungen ausgeschlossen werden kann. Soweit notwendig wurde auf die Unterschiede in den Kommentaren eingegangen:17 Ihre wesentlichen Ursachen dürften der zeitliche Abstand (ca. 1545 und ca. 1548) und die währenddessen erfolgten Änderungen in der Feinplanung gewesen sein sowie natürlich die Unterschiede des Darstellungsmediums und der Absichten.
Letarouilly: Le Vatican
Letarouilly merkt in seinem Stich der Kuppel in Aufriss, Schnitt und zwei Horizontalschnitten (Grundrissen der verschiedenen Geschosse bzw. der Laterne) an, dass die Kassettierung der Kuppel im Modell fehlt und er deshalb auf den Stich Labaccos und die Zeichnungen Sangallos zurückgreift:
„N[ot]a. Les caissons de l’intérieur de la Coupole ne sont pas tracés sur le Modéle: ils ont cité indiqués d’aprés une gravure exécutée ein 1548 sous la direction d’Antonio Labacco et sur les dessins de son maître Antonio da Sangallo.“18
Die Tatsache, dass Letarouilly die Zeichnungen des Codex Destailleur D nicht erwähnt und vermutlich auch nicht herangezogen – geringfügige, aber deutliche Unterschiede lassen dies als weitgehend gesichert erscheinen –, deutet darauf hin dafür, dass ihm der Codex tatsächlich nicht bekannt war. Dagegen sprächen allerdings einige Details, die vermutlich weder dem Modell oder den Zeichnungen Sangallos und jedenfalls auch nicht den genannten Stichen Salamancas zu entnehmen gewesen wären: So das Feinprofil des Dorica-Gebälks, das nur in den vorliegenden Zeichnungen des Anonymus Destailleur mit hinreichender Genauigkeit ausgeführt ist. Zwar erscheint es möglich, dass Letarouilly diese Details aus seiner Kenntnis der dorischen Detailformen selbständig ergänzt hat, ihre nahezu perfekte Übereinstimmung wäre dann aber doch ein bemerkenswerter Zufall.