Blatt 77: St. Peter: Teilgrundriss

Zusammenfassung

Die Teilgrundriss [77.1.1] erweist sich mit hoher Wahrscheinlichkeit zumindest in Teilbereichen als eine Bauaufnahme des Istzustandes von der östlichen Südarmhälfte nach der Anhebung des Fußbodenniveaus, die zwar von Sangallo schon seit ca. 1538 geplant, aber offensichtlich erst ab 1543 realisiert wurde, und vor baulichen Veränderungen in der Wandgliederung des Umgangs, die sicherlich vor Schließung des Südarms efolgten. Sie unterscheidet sich daher nicht nur von den meisten anderen St.-Peter-Zeichnungen des Codex Destailleur D in der Verwendung eines anderen Maßsystems, sondern auch in ihrem systematischen Ort innerhalb des Bau- und Planungsgeschehens, da der weit überwiegende Teil dieser Zeichnungen gerade nicht Bestehendes, sondern Geplantes zeigt. Im Vergleich mit dem Verso [77.2.1] erweist sich die Darstellung des Recto als der abgebrochene Versuch, die letztlich durch Sangallos Fußbodenanhebung bedingten Inkonsistenzen in der architektonischen Gliederung des Umgangsinnenraums zu beseitigen: Deutliches Zeichen hierfür sind die Abweichungen zwischen der ausgeführten Federzeichnung und den Vorritzungen für die Pilasterbündel im Umgang. Gerade auch der ansonsten kaum anzutreffende Einsatz von Vorritzungen unterscheidet das vorliegende Blatt von den meisten anderen der St.-Peter-Gruppe.

Die beiden Darstellungen auf Recto und Verso nehmen jeweils nur zwei Drittel des Blattes ein, es könnte also eine Vervollständigung mit dem anschließenden Hauptbau im verbleibenden Drittel geplant gewesen sein; ihr Fehlen ließe also darauf schließen, dass dem Zeichner die entsprechenden Informationen (noch) nicht zur Verfügung standen, die Zeichnungen damit verhältnismäßig früh um oder nach 1538 einzuordnen wären.1 Diese Hypothese könnte durch auffällige Unsicherheiten in der Verwendung des Maßssystems gestützt werden, denn der Anonymus benutzt hier gelegentlich, aber nicht konsequent eine deutlich an seine Antikenstudien angelehnte Schreibweise sowie Unterteilungen, die sich mit dem palmo romano nicht in Übereinstimmung bringen lassen.

Da der Zeichner sich ansonsten nie für Bereiche des Baus zu interessieren scheint, denen aus der anzunehmenden Sicht des Sangallo-Umkreises nur ein Übergangscharakter zukommen konnte, da sie im Zuge der Verwirklichung von Sangallos Projekt beseitigt werden mussten (Bramante-Chor, Tegurio, Zustand vor Anhebung des Fußbodenniveaus usw.), ist es wenig wahrscheinlich – aber selbstverständlich auch nicht grundsätzlich auszuschließen –, er habe im vorliegenden Blatt zwei aufeinander folgende Stufen der Planung – bzw. genauer: eines vorhandenen Zustandes und einer erwogenen, aber dann verworfenen Veränderung – im Nachhinein aus Interesse am Planungsablauf selbst dokumentieren wollen: Eine solche Einstellung zum Verhältnis von Planung und Ausführung dürfte für Architekturinteressierte selbst in der Mitte des 16. Jahrhunderts kaum anzunehmen sein.

Allgemeines

AUFBEWAHRUNGKasten HDZ 3840; Mappe [13]: Bl.76–96, 109, 112, 113: Peterskirche
PROVENIENZSammlung Hippolyte Destailleur
FRüHERE INVENTARNUMMER DER KUNSTBIBLIOTHEK: „A 375,28“ [?, S. 4]
URSPRüNGLICHER FOLIO-BAND: Bd. I, 13–14 [?, S. 6]
ZAHL DER BLäTTER IM URSPRüNGLICHEN FOLIO-BAND: 2 [?, S. 4]
NUMERIERUNGEN DURCH VORBESITZER:
13“ / Recto: am unteren Blattrand, rechts vom mittleren Falz, 180°

14“ / Verso: am unteren Blattrand, linke Blatthälfte, Mitte, 180°

 

Technische Beschreibung des Blattes

 

FORMATFolio
ABMESSUNGEN: 422 mm × 539 mm
PAPIERQUALITäThell, mittlere Festigkeit
GITTERABSTäNDE: 54 mm am Wz. / 38 mm neben dem Wz.
WASSERZEICHEN: Leiter im gezackten Schild mit sechsstrahligem Stern darüber
PAPIER[noch zu ergänzen]
HEFTLöCHERdoppelt am Mittelfalz
ZUSTANDDas Blatt war vermutlich schon vor der Anfertigung der Zeichnungen mittig gefaltet; darauf deuten zumindest die Unterbrechungen der mit Feder und Lineal gezogenen Linien am Mittelfalz. Es ist sicherlich vor dem Einheften (entlang des Mittelfalzes) allseitig beschnitten worden, am linken Rand parallel zu diesem geknickt und befindet sich insgesamt in einem sehr guten Erhaltungszustand. Dieser dürfte vor allem darauf zurück zu führen sein, dass es vermutlich die meiste Zeit von anderen, geringfügig größeren Blättern umgeben und so vor Verschmutzung und Beschädigung geschützt war.

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