recto: St. Peter: Turmgeschosse: Grundrisse

 





linke Blatthälfte
rechte Blatthälfte








[87.1.1.2] [87.1.1.3] [87.1.2.3]




[87.1.1.1] [87.1.1.4] [87.1.2.1] [87.1.2.2]




Vorbemerkung: Das Blatt zeigt die Grundrisse bzw. Horizontalschnitte der oberen sieben Stockwerke eines der beiden Türme vom ersten Geschoss oberhalb des Hauptbaukörpers an aufwärts. Dabei beschränkt sich der Zeichner in für ihn typischer arbeitsökonomischer Weise auf die Darstellung je eines Viertelsegments eines Geschosses, da dies aus Symmetriegründen für eine vollständige Rekonstruktion des Grundrisses ausreichend ist. Die geringfügigen Abweichungen zwischen den freihändigen Graphitvorzeichnungen und den Federzeichnungen lassen sich als Ungenauigkeiten interpretieren, die durch die Freihändigkeit verursacht sind; wesentlichen Charakter haben sie nicht. Die Zeichnung steht in engster Beziehung zu Bl. 88r.

 

Technisches:

TECHNIKteilweise freihändige Feder in Braun über Graphitvorzeichnungen; Lineal, kein Zirkel (trotz vieler Kreislinien! – Diese sind alle freihändig gezogen.); keine Vorritzungen
NUMERIERUNGEN / POSITION:
20“ / linke obere Ecke
21“ / rechte obere Ecke
A 373 – 27“ / linke obere Ecke, 180° gedreht; mit Bleistift, ausradiert
MASSSTABDie Teilzeichnungen weisen offenbar unterschiedliche, noch dazu nicht exakt durchgehaltene Maßstäbe auf (s. u. im Kommentar)

 

87.1.1 Grundrisse der unteren vier Geschosse

POSITIONgesamte linke Blatthälfte
MASSSTABvermutlich kein einheitlicher Maßstab; Näherungswert ca. 1 : 110 (± 40)

 

 







Beispielmaß
palmi
mm Maßstab












Mittelnische des untersten Geschosses 39 3/4 = 59 1 : 150






Durchmesser eines Kegelsim 4. Geschoss 12 2/3 = 38 1 : 74






Wandstärke im 3. Geschoss 7 1/6 = 23 1 : 70






Wandstärke im 4. Geschoss 10 1/6 = 26 1 : 87






Kommentar: Die Wiedergabe der vier unteren der sieben hier dargestellten Geschosse beginnt links untern und verläuft dann im Uhrzeigersinn. Es sind dargestellt
[87.1.1.1] das Mezzanin oberhalb des Kranzgesimses der unteren Ionica des Hauptbaus;
[87.1.1.2] das obere Ionische Geschoss;
[87.1.1.3] das darüber liegende , durch Ädikulen ausgezeichnete Geschoss mit Korinthia (= letztes quadratisches Geschoss)
[87.1.1.4] das Oktogongeschoss mit den großen Eckkegeln.

Die unteren vier Geschosse (linke Teilzeichnung) sind mit Großbuchstaben in aufsteigender Reihenfolge versehen: DC; ED; EF; F. Dagegen tragen die Zeichnungen der oberen drei Geschosse in der Teilzeichnung [87.1.2] keine solchen Markierungen. Wie auch im Falle von Bl. 88r handelt es sich bei diesen Buchstaben offenbar um die Bezeichnungen der das jeweilige Geschoss begrenzenden Gesimse. Allerdings stimmen diese dann nicht mit den Bezeichnungen der Ordnungen bzw. Gesimse im den Aufrissen von Bl. 90v überein, was auf einen zeitlichen Abstand zwischen beiden Blättern hindeutet. Die Geschosse weisen – im Gegensatz zu den tiefer liegenden von Bl. 88r – keine Asymmetrien auf.

Die Darstellung des Turminneren ist auch hier nur sehr oberflächlich und offenbart – glaubt man den ohne Maßangaben wiedergegebenen, deutlich voneinander abweichenden Wandstärken – das (statische) Problem, dass die Wände der oberen Geschosse die der jeweils darunterliegenden nach innen überkragen. Es dürfte daher eher anzunehmen sein, dass die Darstellung der Wandstärken hier nur summarisch zu verstehen ist. Selbst mit den nur grob ausgehauenen großen Blöcken, die das Gerüst der Modelltürme abgeben, stimmen die vorliegenden Zeichnungen nicht überein.

 

87.1.1.1 Mezzaningeschoss „DC

Das unterste Geschoss („DC“) ist durch die Beschneidung des linken Randes nicht vollständig erhalten, aber aus Symmetriegründen ist die Gliederung der verlorengegangenen Seite entsprechend von der erhaltenen übertragbar. Es sind zwar die Postamente für die neben dem Giebel des darunterliegenden Geschosses stehenden Kegel wiedergegeben, nicht aber die Kegel selbst, obwohl diese am Modell erhalten waren und im Zuge der letzten Restaurierung teilweise ergänzt wurden. Im Salamanca-Stich der (Nord-) Ansicht fehlen sie dagegen ebenfalls, was darauf hindeuten könnte, dass sie am Modell erste im während der Restaurierung zu Anfang des 19. Jahrhunderts ergänzt worden sein könnten.

Da für die Stärke der Wand keine Angaben vorliegen, ist auch deren Abschrägung in der Ecke nur bedingt als verlässliche zu verstehen: Vermutlich war sie vorgesehen, da sie schon aus statischen Gründen vorteilhaft erscheint, über den Umfang und die weitere Binnengliederung dieses wie der folgenden Geschosse lagen dem Zeichner aber offensichtlich keine ausreichenden Informationen vor.

 

87.1.1.2 Unteres ionisches Geschoss „DE

Im ionischen Geschoss („DE“) finden sich außer den Säulenpaaren an dem herausgezogenen Eckrisaliten noch Viertelsäulen in der Ecke zwischen Risalit und mittlerer Wandfläche. In beiden Fällen sind Basen bzw. runde Sockel eingezeichnet. Es fehlt ebenso wie am Modell jeglicher Hinweis auf eine Öffnung der Wand in den zurückgesetzten Wandfeldern, während der Salamanca-Stich hier große, fast die gesamte Höhe der Wandfläche einnehmende, rundbogig geschlossene Fenster zeigt, die nochmals von zwei Halbsäulen gerahmt werden.

Die Wandstärke entspricht ungefähr der des darunter liegenden Geschosses, weshalb es aufgrund der Einziehung des ionischen Geschosses zu einer Versetzung der Innenseite nach innen kommt, die eine Überkragung der Wand des Untergeschosses zur Folge hätte. Schon dieses bautechnisch schwer zu realisierende und statisch nachteilige Detail macht deutlich, dass die hier vom Anonymus Destailleur wieder gegebene Binnengestaltung des Turms nicht den letzten Planungsstand dokumentieren kann.

 

87.1.1.3 Oberes ionisches Geschoss „EF

Das anschließende ionische Geschoss („EF“) zeigt die an jeder Turmseite zentral gelegene Fensteröffnung dieses Geschosses und den (halben) Grundriss der diese rahmenden Ädikula, welche von einem Giebel über Pilastern (außen) und Halbsäulen (innen) gebildet wird. Daneben zeigt die Zeichnung eine kleine, wohl schlitzförmig die Wand gliedernde Vertiefung seitlich der Ädikula, die am Modell zu fehlt und auch in den Salamanca-Stichen nicht erscheint. Dagegen bleibt die große, hervortretende Wandfläche zwischen den Halbsäulen und den Dreiviertelsäulen an den Ecken in allen erhaltenen Quellen ungegliedert.

In diesem Segment fällt die erstmalige, wenn auch indirekte Angabe eines Maßes für die Wandstärke auf: Die Tiefe der Fensteröffnung – von der am tiefsten gelegenen Außenwandebene bis zur Innenwand des Turmgeschosses – wird mit „p 7 1/6“ angegeben, was deutlich zu gering erscheint. Denn dieses Geschoss allein hatte mit den nach oben folgenden noch mehr als Drittel der Gesamthöhe des Turms von über 140 m zu tragen.

 

87.1.1.4 Oktogonales Geschoss „F

Das oktogonale Geschoss („F“) ist sehr genau wiedergegeben, wobei allerdings der aus dem darunter liegenden Geschoss in dieses hineinragende Giebel nicht berücksichtigt wird. Ein wichtiger Unterschied zum Modell ist, dass die Darstellung jene auf den Ecken vor dem Oktogon stehenden vier großen Kegel nochmals von je drei kleineren umgeben zeigt. Die Salamanca-Stiche zeigen sie ebenfalls. Sie sind nicht nur als Fortsetzung der im darunter liegenden Geschoss befindlichen Halb- bzw. Dreiviertelsäulen des Eckrisalits von architektonischer Bedeutung, sondern ebenso als (weiteres) Beispiel für die abgewandelte Anwendung des auf Sangallos Rekonstruktion beruhenden Schemas des Porsenna-Grabes als Beispiel antiker Memorialarchitektur. Obwohl diese kleinen Kegel bzw. – nach Salamanca – Kandelaber auf je eigenen, auskragenden Sockeln stehen, läuft das darunter befindliche Gebälk ohne die zu erwartenden Verkröpfungen durch.

Eine weitere Unstimmigkeit an der Darstellung dieses Geschosses ist, dass die gezeigten Seiten nicht – wie es den Symmetrieanforderungen entsprechend zu erwarten wäre – gleich gestaltet sind: auf einer Seite setzt sich die Basiszone der genannten drei kleinen Kegel in einer schmalen Wandvorlage aus zwei dicht zusammen stehenden Lisenen fort, die allerdings nicht der im eigentlichen Hauptgeschoss – dem Oktogon – angegebenen Wandgliederung folgen, sondern sich zu dieser vollkommen unsymmetrisch verhalten. Außerdem befinden sie sich dort, wo nach dem Modell und den Stichen der Giebel aus dem darunter liegenden Geschoss aufragen sollte. Da dieser Bereich aber nur freihändig eingezeichnet ist, wird man annehmen dürfen, dass es sich hierbei nur um eine kurzzeitig erwogene Variante handelt, nicht um eine in der Endphase erfolgte Planungsänderung, womit die Nähe des Zeichners zum Planungsgeschehen wiederum wahrscheinlicher wird.

Das Geschoss hat zwar kaum Ähnlichkeit mit dem von Sangallo errichteten oktogonalen Turmgeschoss auf dem alten Campanile von St. Peter, das in der Dresdner Zeichnung zu sehen ist,1 die Übereinstimmung in der Verwendung eines oktogonalen Turmgeschosses als Überleitung von einem (annähernd) quadratischen zu einem kreisförmigen Grundriss ist aber zumindest bemerkenswert.

87.1.2 Obere drei Geschosse (Laterne)

POSITIONgesamte rechte Blatthälfte;
MASSSTABvermutlich kein einheitlicher Maßstab; Näherungswert ca. 1 : 70 (± 15)
 

 







Beispielmaß
palmi
mm Maßstab












Wandstärke des untersten Geschosses 10 [—] = 26 1 : 86






Wandstärke des Laternen-Tolos 6 5/6 = 20 1 : 76






Tiefe der Volute im obersten Geschoss 4 3/4 = 14 1 : 76






Interkolumnien des Laternen-Tolos 6 [—] = 24 1 : 56






Kommentar: Die Zeichnung zeigt die Horizontalschnitte der drei Spitzengeschosse des Turmes:
[87.1.2.1] das runde Sockelgeschoss der Laterne mit oktogonaler Balustrade und Fenstern
[87.1.2.2] das Rundgeschoss des Tolos selbst mit Balustrade
[87.1.2.3] die untere Ebene der Laternenspitze
Auffällig ist, dass in dieser Teilzeichnung ein Quadrant frei bleibt, obwohl die obere Ebene der Spitze noch fehlt bzw. aus der darunter liegenden allein nicht ableitbar ist.

 

87.1.2.1 Sockelgeschoss des Laternen-Tolos

Das erste (unterste) Geschoss, scheint mit Modell und Stichen ohne Abweichungen übereinzustimmen. Die Wandstärke ist mit „p 10“ wiedergegeben. Der Zeichner gibt trotz der freihändigen Darstellung nicht nur die Anzahl der Baluster in der auf der oktogonalen Plattform dieses Geschosses umlaufenden Balustrade für eine Oktogonseite mit 11 wieder, sondern zeigt sogar, dass die jeweils letzten Baluster einer Seite als Halbbaluster mit dem Eckpfeilern verbunden sind.

 

87.1.2.2 Tolos-Geschoss (Komposita der Laterne)

Das Tolos-Geschoss zeigt die Säulen auf leicht vorspringenden Postamenten. Hinter ihnen an der Wand sind Pilaster angegeben, deren Schaftbreite mit „p 3 1/6“ etwas geringer ist als der Säulendurchmesser von „p 3 1/4“. Durchgänge bzw. Fensteröffnungen in den Innenraum finden sich in jedem zweiten Interkolumnium. Auch hier wird für die den Sockel umgebende Balustrade wiederum Anzahl und Anordnung der Baluster angegeben. Bemerkenswert sind außerdem die Maßangaben sowohl für die Wandstärke als auch die lichte Weite der Tolos-Öffnungen zum Innenraum, da diese für die Anfertigung des Modells sicherlich nicht notwendig waren und also wiederum die Hypothese stützen, dass die Planungen nicht nur dem Modell galten.

 

87.1.2.3 Sockelgeschoss der Laternenspitze

 

Die abschließende Zeichnung des unteren Kegelrings der Laternenspitze zeigt, dass die Kegel genau über den Säulen des Tolos aufsitzen sollen, natürlich mit einer leicht exzentrischen Einrückung nach innen. Die zur nächsten Ebene überleitenden Voluten sind eingetragen und als solche mit leichtem Federstrich kenntlich gemacht. Die Wand ist in Übereinstimmung mit den Öffnungen der Laterne durchbrochen; dieser Teil der Spitze sollte also ebenfalls noch geöffnet sein. In den Salamanca-Stichen ist zwischen den Sockeln der Kegel jeweils eine kurze Balustrade angedeutet. Da die Höhe dieses Teilgeschosses derjenigen des Sockelgeschosses der Kuppellaternenspitze genau entspricht, ist anzunehmen, dass die grundlegenden Details soweit möglich identisch dorthin übernommen werden sollten.

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