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recto: St. Peter: Turmgeschosse: Grundrisse

 




[89.1.1.4] [89.1.1.2] [89.1.1.1]



[89.1.1.3]



Vorbemerkung: Obwohl die Zeichnung eine geschlossene Darstellung bietet, werden die einzelnen Bereiche im Folgenden aus Gründen der Übersichtlichkeit gesondert besprochen. Dabei wird – entgegen der Abfolge der Zeichnungen auf dem Blatt – die Reihenfolge von der vertikalen Abfolge bestimmt; d. h. auf Treppe und Erdgeschoss folgen Mezzanin und ionisches Geschoss. Bei der Benennung der Seiten wird davon ausgegangen, dass hier der Südturm dargestellt ist, was durch die Position der Treppenanlage nahegelegt wird.

 

89.1.1 Grundriss der unteren drei Turmgeschosse mit Treppenanlage

POSITION: gesamtes Blatt
TECHNIK: Feder, Tinte; Lineal, kein Zirkel; Graphitvorzeichnungen fast aller Linien, jedoch keine Vorritzungen
HAND: AD
BEISCHRIFT / POSITION: „1r plan dans [oder: sans] [?] enducley [?]“ / am oberen Blattrand links; von späterer Hand, und zwar offenbar von derselben Hand, die die Numerierungen vorgenommen hat
MASSANGABEN / GRUNDMASS: „p 9 1/12“ / palmo romano bzw. palmo del modello
MASSSTAB: ungefährer Gesamtmaßstab der Zeichnung: 1 : 82

 

 








Beispielwerte
palmi
mm Maßstab














Breite der Wand hinter einem Doppelsäulenpaar 29 [—] = 82 1 : 79







lichte Weite einer Nische im Erdgeschoss 10 5/6 = 52 1 : 47







Breite eines Sockels im Mezzanin 8 [—] = 21 1 : 85







Schaftdurchmesser einer ionischen Säule 5 3/4 = 16 1 : 80







Anmerkung: Der Zeichner bemüht sich trotz der sauberen Darstellung offensichtlich nicht, einen festen, einheitlichen Maßstab einzuhalten, sondern ändert diesen in Abhängigkeit vom darzustellenden Detail.

Kommentar: Insgesamt erweckt die Darstellung den Eindruck einer Reinzeichnung; dass sie nicht tatsächlich als solche angesprochen werden kann, verdeutlichen schon die unterschiedlichen Teilmaßstäbe. In der Disposition des Blattes lässt sich erkennen, dass der Zeichner nicht nur bestrebt war, die Symmetriebeziehungen innerhalb der Geschosse zur Abkürzung der Darstellung auszunutzen, in dem er diese – wie auch in den entsprechenden Zeichnungen anderer Blätter – jeweils auf ein Viertel beschränkte. Die Abweichung im Falle des Erdgeschosses selbst ließe sich zum einen mit der Rücksicht auf eine von Missverständnismöglichkeiten freie Darstellung der Treppenanlage oder aber mit einer zuvor festgelegten, sinngemäßen Zusammenfassung der Geschosse nach ihrer Position am Bau und ihrem Verhältnis zueinander erklären: Da die drei hier wiedergegebenen Untergeschosse denjenigen des Hauptbaus entsprechen, erscheint ihre gemeinsame Darstellung ohne das darüber anschließende, nur an den Türmen erscheinende Zwischengeschoss als beabsichtigt da sinnvoll.

Zur Innengliederung des Turmes: Alle drei Geschosse zeigen innen eine gleichmäßige, übereinstimmende Abschrägung der Ecken, jedoch sind die absoluten Mauerstärken nicht angegeben. Sie wären auch mit dem Zirkel aufgrund der Unmaßstäblichkeit nur ungefähr abnehmbar. In der durch die Zeichnung suggerierten Breite scheinen die Mauern allerdings mit ca. einem Siebtel der Gesamtbreite des Turmes angesichts der vorgesehenen Höhe unterdimensioniert.

Eine weitere Gliederung des Turminneren, z. B. in Form einer Treppenanlage oder Verstrebungsmauern ist nicht angedeutet. Da am Modell die Türme an den Innenseiten nur grob behauen sind, wäre eine – wenn auch nur wenig – differenzierte Darstellung wie im hier vorliegenden Fall für die Modellanfertigung sicherlich nicht notwendig gewesen, zumindest nicht mit der hier dargestellten Eckabschrägung.

Maßangaben: Insgesamt fällt auf, dass verhältnismäßig wenige Maße angegeben sind: Sie allein reichen nicht aus, die Turmgeschosse zu rekonstruieren oder am Modell zu realisieren, d. h. der Zeichner musste sich auf andere, ergänzende Darstellungen verlassen können, die ihm entweder in seinen eigenen Zeichnungen oder aber in entsprechenden Vorlagen zur Verfügung standen.

Die angegebenen Maße betreffen nur die Säulenordnungen selbst, nicht aber die Gesamtabmessungen der Geschosse, wobei diese sich jedoch auch weitgehend aus den angegebenen Teilmaßen rekonstruieren lassen. Alle Halbsäulen, deren Postamente und die oval abgerundeten Podeste vor den Ädikulen sind freihändig gezeichnet, aber mit Maßen versehen: Der Zirkel hätte vom Zeichner also durchaus benutzt werden können. Dass er dies nicht tat, könnte als ein weiteres Indiz für den provisorischen Charakter der Zeichnung angesehen werden.

Auch hier zeigen die Maße – im Gegensatz übrigens zu den eher ungelenken Versuchen des Zeichners, Halbkreise zu zeichnen – deutlich, dass die Achsen der Säulen vor der Wandflucht liegen, es sich also nicht um Halbsäulen handeln kann, sondern hier vermutlich Vollsäulen zu versetzen waren, für die wiederum vor allem die antiken Spolien Alt-St.-Peters in Frage gekommen sein dürften.

Asymmetrien: Alle hier dargestellten Geschosse weisen eine markante Verletzung der Achsensymmetrie auf, die ihren Grund möglicherweise darin hat, dass die jeweils dem Loggientrakt gegenüber liegende Wand eines Geschosses in ihrem mittleren Bereich einfacher gestaltet werden sollte, als an den restlichen, gut sichtbaren Fassadenseiten.

Eine andere Erklärungsmöglichkeit für diese Differenz könnte – eine von Sangallo möglicherweise doch geplante, vollständige Symmetrie aller Turmseiten vorausgesetzt – darin liegen, dass sich eine erneute Wiedergabe desselben Elements hier aus Symmetriegründen erübrigte, während gleichzeitig die fehlende Gestaltung dieses Bereiches am Modell auf Einsparungsmaßnahmen in dessen Herstellungsprozess zurückzuführen wäre.

Verweisbuchstaben: Die Anordnung und Verdoppelung der Verweisbuchstaben lässt den Schluss zu, dass mit ihnen – wie auch in vergleichbaren anderen Darstellungen des Codex Destailleur D – nicht die Geschosse selbst bezeichnet sind, sondern die Gesimse bzw. Gebälke, die diese trennen. Dass der Zeichner hier im Erdgeschoss mit dem Verweisbuchstaben „A“ beginnt, der sich im Mezzanin wiederholt und daher offenbar auf das dorische Gebälk bezieht, verdeutlicht die Absicht, vom Bodenniveau beginnend eine alphabetische Abfolge in der Reihe der aufeinander folgenden Geschosse als einheitliche und sinnvolle Benennung zu verwenden. Sie setzt sich entsprechend in der folgenden Darstellung auf Bl. 88r fort. – Erst die Benennung der am Hauptbau mit der Kuppel selbst auftretenden Geschosse bzw. Ordnungen führt zu dem – nicht aufgelösten – Konflikt in den Benennungen, da dort gleichartige Geschosse, die sich nur in wenigen Details von dene der Türme unterscheiden, unterschiedlich benannt werden.

 

89.1.1.1 Treppenanlage

POSITION: rechtes oberes Blattsechstel
Kommentar: Der Verlauf der Treppenanlage legt nahe, dass in der vorliegenden Darstellung der Südturm wiedergegeben ist; aus Symmetriegründen lassen sich aber trotzdem alle Angaben auf den Nordtum übertragen. Jedenfalls dürfte diese Wahl nicht zu dem Schluss berechtigen, dass der Nordturm aufgrund der dort weitaus komplizierteren baulichen Situation nicht dargestellt worden wäre: Die von Frommel 19641 vorgeschlagene Einbindung der Cappella Paolina in den Nordturm verbietet sich schon sowohl aus statischen Gründen als auch aufgrund der zwischen Kappelle und beabsichtigtem Turm zu erwartenden Verschiebung – die Längsachse der Kappelle verläuft nicht senkrecht zur Mittelachse der Basilika – als eine möglicherweise tatsächlich von Sangallo erwogenen Lösungsvariante für den zu erwartenden Konflikt des Nordturms mit der dort vorhandenen Bausubstanz. Der Grund für die Auswahl des Südturms dürfte vielmehr darin liegen, dass hier zuerst mit dem tatsächlichen Bau zu beginnen gewesen wäre: Aufgrund der zu erwartenden statischen Probleme könnte Sangallo beabsichtigt haben, in den Fundamenten des Südturms diese exemplarisch zu lösen und gleichzeitig damit – wie seine Vorgänger – vollendete Tatsachen zu schaffen, die eine Änderung des Projekts nach seinem Tod zumindest erwschwert hätten.

Die hier wiedergegeben Treppenanlage ist deutlich kleiner und damit nicht identisch mit derjenigen des Modells, da sie sich dort bis an den äußeren Rand des Turmes erstreckt und ihre oberste Ebene noch bis vor das Postament der mittleren Ädikula reicht, während sie in der Zeichnung an der entprechenden Stelle mit der untersten Stufengruppe endet. Zudem sind hier drei Gruppen zu je fünf Treppenstufen angegeben, wobei Bleistiftstriche an den Ecken und an der Frontseite auf eine nicht ausgeführte 6. Stufe in den beiden oberen Treppen hindeuten.

Da Maßangaben vollständig fehlen und die Zeichnung selbst keinen verlässlichen Maßstab bietet, kann ein genauerer Vergleich mit dem Modell hinsichtlich der Gestaltung der Treppenanlage nicht erfolgen.

89.1.1.2 Dorisches Turmgeschoss „A

POSITION: mittleres Blattdrittel
BEISCHRIFT / POSITION: „A“ [Verweisbuchstabe] / an der Nordwand nahe der Nord-Süd-Achse
Kommentar: An dem mit „A“ gekennzeichneteten Erdgeschoss fällt auf, dass der Zeichner für die (nach der Lage zur Treppenanlage zu schließen) dem Durchgang zwischen Loggientrakt und Turm zugewandten Seite keine Ädikula sowie kein vortretendes, ovales Postament wiedergibt. Dies dürfte weniger darauf zurückzuführen sein, dass Darstellung der Ädikula mit Nische hier aus Symmetriegründen unterbleiben konnte, sondern eher darauf, dass an dieser Stelle der Eingang zum Turm unterzubringen gewesen wäre. Sein Fehlen in der vorliegenden Zeichnung muss dabei nicht unbedingt als Gegenargument gelten, denn eine gerade, ungegliederte Wandfäche, wie sie die Zeichnung zeigt, ist für diese Stelle sicherlich auszuschließen.

Die Verteilung der Maße auf die zur Verfügung stehende Teilzeichnung macht im vorliegenden Fall besonders deutlich, wie der Zeichner um eine entsprechende Optimierung zwecks Übersichtlichkeit bemüht war.

 

 





Maßangaben
palmi
Anmerkungen








Durchmesser der Dorica-Säulen 8 5/12




Stärke der Säulen vor der Rückwand 5 1/6




Abstand der Säulen an der Rückwand 5 1/12 > als das Interkolumnium!




Breite der Rückwand eines Säulenpaares 29 [—]




Eckeinzug 7 3/4 symmetrisch




Durchmesser der Ädilasäulen 3 7/12




Stärke der Ädikulasäulen vor der Rückwand 2 3/4




lichte Weite der Ädikulennische 10 5/6




Breite des Podests vor der Nische 10 1/6




Tiefe der Nische 3 1/6




Breite des Nischenrahmens 2 5/12




 

89.1.1.3 Mezzaningeschoss „AB

POSITION: linkes unteres Blattsechstel
BEISCHRIFTEN / POSITION:
A“ [Verweisbuchstabe] / in der Südwand, nahe der Nord-Süd-Achse
B“ [Verweisbuchstabe] / in der Südwand, nahe der Nord-Süd-Achse
Kommentar: Am Mezzaningeschoss („AB“) lässt sich ebenfalls eine Symmetrieverletzung beobachten: Während die von einem Rechteckrahmen gefasste Nische an der Westwand zur Hälfte erscheint, fehlt sie an der Südwand: Dies bedeutet aber sicherlich nicht, dass sie tatsächlich an dieser prominenten Stelle des Baus fehlen sollte, sondern dass hier – wie schon auf der gegenüberliegenden Seite der Zeichnung im Grundriss des Erdgeschosses – die ungegliederte oder zumindest anders zu gliedernde Wand gegenüber dem Loggientrakt gemeint ist. Das Modell selbst ist in diesem Bereich ebenfalls einfacher gestaltet.

 

 




Maßangaben
palmi






Breite der vorgelagerten Sockel 8 [—]



Tiefe der Sockel 4 5/6



Abstand zwischen den Sockeln 4 5/12



Breite der Lisenen hinter den Sockelb 7 [—]



Stärke der Lisenen 1 1/6



Breite der Mittelnische 9 3/4



 

Bemerkenswert ist, dass die hier lediglich als flache Nische mit rechteckigem Grundriss dargestellte Öffnung in den Stichen als Fenster erscheint. Dieses ist dort auch eindeutig als eine Wiederholung desjenigen Fensters dargestellt, das als fester Bestandteil der Gestaltung des Mezzanins am Hauptbau erscheint. Nach Bl. 76.1.2 soll die lichte Öffnungsweite dieses Fensters „p 16 1/3“ betragen, was im deutlichen Widerspruch zu den in der vorliegenden Zeichnung angegebenen „p 9 3/4“ steht. Wenn es sich dabei nicht um einen Schreibfehler des Anonymus Destailleur handeln sollte, müsste daraus geschlussfolgert werden, dass die Definition der Ordnungen am Turm und damit auch am Hauptbaunach Erstellung dieses wie eine Reinzeichnung anmutenden Blattes nochmals geringfügig geändert wurde, somit seine Entstehung also auf einen sehr frühen Zeitpunkt zu datieren wäre: Die ansonsten aber sehr weit gehende Übereinstimmung zwischen dem von der Zeichnung insgesamt gezeigten Planungsstand mit der Ausführung am Modell und selbst noch mit den Stichen spricht hier jedoch eher für einen Irrtum des Zeichners, zumal die lichte Weite der Flachnische des folgenden ionischen Geschosses mit „p 23“ den Angaben in Bl. 76r wiederum entspricht.

 

89.1.1.4 Ionisches Geschoss „BC

POSITION: linkes oberes Blattviertel
BEISCHRIFTEN / POSITION:
C“ [Verweisbuchstabe] / in der Westwand, nahe der Ost-West-Achse
B“ [Verweisbuchstabe] / in der Westwand, nahe der Ost-West-Achse
Kommentar: Auch das an das Mezzanin anschließende ionische Geschoss („CB“) weist die schon beschriebene Symmetrieverletzung auf: Während hier die scheinbare Nordseite eine Nischengliederung zeigt, ist der mittlere Bereich der dementsprechende Westwand wie schon in den anscheinend korrespondierenden Abschnitten der beiden tiefer liegenden Geschosse vollkommen ungegliedert.

Das Modell zeigt im ionischen Geschoss eine flache Rundbogennische, die von dem auf den ionischen Doppelsäulen aufliegenden Giebel überfangen wird. Ein Hinweis auf die hier gezeigte Flachnische oder sogar die laut Salamancas älterem Stich zu erwartende rundbogig geschlossene Fensteröffnung, die sich in derselben Form auch am Hauptbau wiederholt, fehlt jedoch.

 

 

 




Maßangaben
palmi






Durchmesser der Säulen 5 3/4



Stärke der Säulen vor der Wand 4 [—]



Interkolumnium der Doppelsäulen 7 1/4



Tiefe des Sockels 4 5/12



Breite des Sockels 8 1/4



Tiefe des Eckeinzugs (beidseitig) 5 7/12



Breite des Nischenrahmens 4 1/2



Breite der Nische 23 [—]



Tiefe der Nische 3 1/4



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