Literaturübersicht

Dem Codex Destailleur D wurde in der bisherigen Kunst- und Architekturgeschichtsschreibung kaum Beachtung zuteil. Eine Gesamtuntersuchung bzw. gründliche Katalogisierung des Codex fand bisher nicht statt, obwohl sie in der wenigen Spezialliteratur hierzu mehrfach angeregt wurde. Dies ist umso erstaunlicher, als der Codex ein bemerkenswertes Beispiel für in sich geschlossenen und weitgehend vollständigen Zeichnungsband aus der Renaissance ist, dem ein ausgesprochen hoher Quellenwert bezüglich antiker und zeitgenössischer Bauten des 16. Jahrhunderts zuzusprechen ist.

Im Folgenden wird kurz auf die bisherige Literatur eingegangen und diese — wo notwendig — ergänzt bzw. korrigiert. Die Auflistung kann zwar natürlich keinen Anspruch auf Vollständigkeit erheben, umfasst aber alle bisher bekannten Titel, soweit sie in irgend einer Hinsicht relevante Aussagen zum Codex Destailleur D enthalten.

  1. [Destailleur 1863] = Destailleur, Hippolyte: Notices sur quelques Artistes Français -- Architectes, Designateurs, Graveus du XVIe aus XVIIIe siecle. Paris: 1863.
  2. [Letarouilly 1849–1866] = Letarouilly, Paul Marie: Èdifices de Rome moderne. – Liége: 1849–1866.
  3. [Letarouilly 1882] = Letarouilly, Paul: Le Vatican et la Basilique de Saint-Pierre de Rome. Monographie mise en ordre et complétée. — Paris: 1882.
  4. [Geymüller 1883] = Geymüller, Heinrich von: Documents inédits sur le Thermes d'Agrippa, le Panthéon et les Thermes de Dioclétien. – Lausanne: 1883.
  5. [Müntz 1886] = Müntz, Éugene: Les antiquités de la ville de Rome aux XIVe, XVe et XVIe siècles. — Paris: 1886.
  6. [Hülsen 1886] = Hülsen, Christian: Das Septizonium des Septimius Severus = 46. Programm zum Winckelmannfeste der Archäologischen Gesellschaft zu Berlin. – Berlin: 1886.
  7. [Geymüller 1898] = Geymüller, Heinrich von: Die Baukunst der Renaissance in Frankreich. – 2 Bde. – Stuttgart: 1889–1901 [= Handbuch der Architektur, hg. von Josef Durm u. a.; II. Teil, 6. Bd., Heft 1 + 2].
  8. [Jessen 1890] = Jessen, Peter: Zeichnungen römischer Ruinen in der Bibliothek des Kgl. Kunstgewerbe-Museums zu Berlin. – In: Aus der Anomia. Archaeologische Beitraege, Carl Robert zur Erinnerung an Berlin dargebracht. – Berlin: 1890, S. 114123.
  9. [Iwanoff / Hülsen 1898] = Iwanoff, S. A.; Hülsen, Chr.: Architektonische Studien. – Berlin: 1898.
  10. [Jessen Beiheft] = Jessen, Peter: Handschriftliches Beiheft im Codex Destailleur D. – Berlin: Kunstbibliothek, ca. 1898–1903.
  11. [Paribeni 1926–1927] = Paribeni, Roberto: Obtimus Princeps. Saggio sulla storia e sui tempi dell'imperatore Traiano. 2 Bde. Messina 1926/27 (= Biblioteca Storica Principato) – Messina: 1927.
  12. [Kaiserthermen (1929)] = Krencker, D.; Krüger, E.: Die Trierer Kaiserthermen. – Augsburg: 1929.
  13. [Stern 1953] = Stern, Henry: Le Calendrier de 354. – Paris: 1953.
  14. [Ackerman 1961] = Ackerman, James S.: The Architecture of Michelangelo. – London: 1961.
  15. [Ackerman 1962] = Ackerman, James S.: Rezension zu: Christoph Luitpold Frommel: Die Farnesina und Peruzzis architektonisches Frühwerk. – In: Art Bulletin 44 (1962) S. 243.
  16. [Spielmann 1966] = Spielmann, Heinz: Andrea Palladio und die Antike. – München: 1966.
  17. [Berckenhagen 1969.1] = Berckenhagen, Ekhart: Hugues Sambin und der Anonymus Destailleur. – In: Berliner Museen 19 (1969) S. 65–76.
  18. [Berckenhagen 1970] = Berckenhagen, Ekhart: Die französischen Zeichnungen der Sammlungen der Kunstbibliothek Berlin. – Berlin: 1970.
  19. [Kammerer-Grothaus 1971] = Kammerer-Grothaus, Helke: S. Urbano della Caffarella --- Nach Renaissancezeichnungen des Codex Destailleur in Berlin. – In: Mitteilungen des Deutschen Archäologischen Instituts in Rom, Bd. 78 (1974) S. 203–207; Taf. 98–100. — sowie: [Kammerer-Grothaus 1974] = Kammerer-Grothaus, Helke: Der Deus Rediculus im Triopion des Herodes Attikus – Untersuchungen am Bau und zu polychromer Ziegelarchitektur des 2. Jahrhunderts n. Chr. in Latium. – In: Mitteilungen des Deutschen Archäologischen Instituts in rom, Bd. 81,2 (1974) S. 131–252; Taf. 86–134, Farbtaf.
  20. [Frommel 1973] = Frommel, Christoph Luitpold: Der Römische Palastbau der Hochrenaissance. – 3 Bde. (Bd. 1: Text; Bd. 2: Katalog; Bd. 3: Tafeln). – Tübingen: Wasmuth, 1973. (= Römische Forschungen der Bibliotheca Hertziana; 21).
  21. [Brödner 1983] = Brödner, Erika: Die römischen Thermen und das antike Badewesen. – Darmstadt: Wissenschaftliche Buchgesellschaft, 1983. [zitiert nach der Sonderausgabe 2011]
  22. [Nesselrath 1986.1] = Nesselrath, Arnold: I libri di disegni di antichità. Tentativo di una tipologia. – In: [Memoria (1986)], Bd. III „Dalla tradizione all'archeologia“, S. 89–147.
  23. [Echinger-Maurach 1991] = Echinger-Maurach, Claudia: Studien zu Michelangelos Juliusgrabmal. – Hildesheim: 1991 (2 Bde.).
  24. [Nesselrath 1993] = Nesselrath, Arnold: Das Fossombroner Skizzenbuch. – London: 1993.
  25. [Thoenes 1994.1] = Thoenes, Christof: Unknown Sixteenth-Century Artist (Jacobus Bos?): Measured Drawings of Antonio da Sangallo's Model for St. Peter's. – In: [Renaissance (1994)] S. 646–648 (= Katalogeintrag Nr. 372). — sowie: [Thoenes 1995] = Thoenes, Christof: Katalog-Nr. 132: Anonym (Jacobus Bos?): Maßzeichnungen des St.-Peter-Modells von Antonio da Sangallo, 16. Jahrhundert / Berlin, SMPK, Kunstbibliothek, HdZ 4151 (Codex Destailleur, D 1). – In: [Berlin (1995)] S. 372–378.
  26. [Fairbairn 1998] = Fairbairn, Lynda: Italian Renaissance Drawings from the collection of Sir John Soane's Museum. – 2 Bde. – London: 1998.
  27. [Satzinger 2001] = Satzinger, Georg: Michelangelos Grabmal Julius' II. in S. Pietro in Vincoli. – In: Zeitschrift für Kunstgeschichte 64,2 (2001) S. 177–222.
  28. [Campbell 2004.1, S. 31] = Campbell, Ian: Ancient Roman Topography and Architecture. – London: 2004.
  29. [Campbell 2004.2] = Campbell, Ian: Some drawings from the "Paper Museum" of Cassiano dal Pozzo and the Berlin Codex Destailleur D. – In: Pegasus 6 (2004) S. 23–46.
 

Zusammenfassung

Die keinen Anspruch auf Vollständigkeit erhebende Übersicht zeigt deutlich, dass in der Beurteilung des Codex Destailleur D und der Klärung seiner Zuschreibung — dagegen kaum in der Datierung auf die Mitte des 16. Jahrhunderts (nur gelegentlich findet sich in der Literatur eine Datierung auf die 1560er Jahre) — erheblich voneinander abweichende Meinungen zwischen den verschiedenen Autoren bestehen, ohne dass man gegenseitig auf diese eingegangen wäre. Hauptgrund hierfür mag sein, dass viele der Kommentare im Zusammenhang des jeweils behandelten Themas nur Nebenbemerkungen darstellten und einige wenige den Codex Destailleur D bisher als einen eher uninteressanten Forschungsgegenstand erscheinen liessen. 

Mit Blick auf das deutliche Überwiegen der Antikenzeichnungen wäre zu erwarten, dass diese in der archäologischen Literatur stärkere Berücksichtigung gefunden hätten: Dies scheint jedoch nicht der Fall zu sein. Allerdings konnten im Rahmen der die Studien zu St. Peter nur ergänzenden Beschäftigung mit diesen Zeichnungen keine umfassenden Recherchen innerhalb der archäologischen Spezialliteratur angestellt werden. Die stichprobenartige Suche nach Literatur z.B. über die Thermenanlagen erbrachte nur sehr wenige Ergebnisse, die über eine Erwähnung der Zeichnungen und gelegentliche, jedoch nie zum genaueren Studium von Details ausreichende Abbildungen hinaus gingen. Sie werden in den jeweiligen Katalogeinträgen nachgewiesen. Keine dieser bisher bekannt gewordenen Veröffentlichungen untersucht Entstehungszeit, -hintergründe oder -motivation des Codex Destailleur D auch nur ansatzweise. Hier ist von der [2001 noch] in Arbeit befindlichen Dissertation Maximilian G. Schichs über die römischen Kaiserthermen und ihre Rezeption in den Zeichnungen der Renaissance Neues zu erwarten. Die z.T. recht detaillierten Einträge zu den Antikenzeichnungen, die sich in der Datenbank des Census of Antique Works of Art Known in the Renaissance", Berlin, finden und die zum überwiegenden Teil auf Ian Campbell zurück gehen, beschränken sich ebenfalls auf eine Identifizierung der Bauten und enthalten keine konkreten neueren Angaben zu den im vorliegenden Zusammenhang interessierenden Fragen hinsichtlich Datierung und Einordnung der Gruppe um den Codex Destailleur D. Sie scheinen auch die Grundlage für Campbells Anmerkungen zum Codex Destailleur D in den von ihm edierten Bänden des "Paper Museums" Cassianos dal Pozzo [Campbell 2004] zu sein, die jedoch ebenfalls viele Irrtümer und Fehler enthalten.

Bis auf die Analysen der St.-Peter-Blätter durch Christof Thoenes kann von einer eingehenderen Behandlung einzelner Blätter und ihrer Auswertung oder gar von einer Klärung ihres Entstehungszusammenhanges in der bisherigen Literatur nicht die Rede sein: Die Ausführungen Berckenhagens und Fairbanks hierzu sind eher als irreführend denn als hilfreich anzusehen, da sie der Überprüfung nicht standhalten: Leider wird ihr Festhalten in repräsentativen Katalogbänden auf beständigem Papier eine nachteilige Wirkung auf die weitere Rezeption des Codex Destailleur D wohl kaum verfehlen.

Im Zuge der Katalogisierung des gesamten Codex Destailleur D sowie der Zeichnungen aus seinem Umkreis — von denen noch nicht alle bisher bekannt geworden sein dürften —werden sich voraussichtlich weitere Anhaltspunkte ergeben, die zusammen mit ergänzendem Quellenmaterial nicht nur eine Neubewertung und damit intensivere Nutzung der an Informationen reichen Zeichnungen für Archäologie und Architekturgeschichte selbst mit sich bringen dürften, sondern ebenso über die Geschichte der dargestellten Bauten hinaus reichende Anhaltspunkte sowohl zu methodischen Hintergründen als auch institutionellen Voraussetzungen des Antikenstudiums im 16. Jahrhundert. Hier bietet sich eine der interessantesten Perspektiven für eine zukünftig intensivere Beschäftigung mit dem Codex und seinem Umfeld.

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