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10. Antikenstudien entstanden bis 1545

Die Antikenstudien entstanden vermutlich überwiegend vor bzw. bis 1545.

These

Aus dem vermuteten Entstehungszeitraum der St.-Peter-Blätter und der Anwesenheit des Zeichners in Rom lässt sich schlussfolgern, dass die St.-Peter-Zeichnungen gegen Ende seines Aufenthaltes entstanden bzw. er nach deren Fertigstellung keine Gelegenheit mehr hatte, die Unterlagen der Sangallo-Werkstatt zu konsultieren. Will man kein persönliches Zerwürfnis des Zeichners mit dem Sangallo-Umkreis aber seine weitere Anwesenheit in Rom unterstellen, so bedeutet dies, dass auch die stadtrömischen Antikenzeichnungen überwiegend zuvor, also spätestens bis 1546 entstanden sein müssen. Ausnahme hiervon könnten die Studien zu den Caracalla-Thermen sowie einige zeitgenössische Bauten wie Michelangelos Grabmal für Papst Julius II. sein.

Begründung

Wäre der Zeichner nach der Anfertigung der St.-Peter-Blätter noch lange genug in Rom gewesen, um die umfangreichen Bauaufnahmen der Antiken anzufertigen, so liesse sich kaum erklären, warum er seinen zuvor offenbar uneingeschränkten Zugang zu den Unterlagen des Sangallo-Umrkreises, und hier insbesondere der Modellwerkstatt bzw. dem Kreis der Zimmerleute, nicht weiterhin genutzt haben sollte, um die Veränderungen festzuhalten, die sich gegenüber den von ihm bis dato dargestellten Planungzuständen ergeben hatten. 

Darüber hinaus scheint der palmo romano ihm zuerst bei der Anfertigung der St.-Peter-Zeichnungen als Arbeitsgrundlage gedient zu haben: Einige Unbeholfenheiten in der Verwendung und 'Rückfälle' in die Schreibweise der Teilmasse des anscheinend zuvor durchgängig von ihm verwendeten französischen (und eventuell eines antiken) Fussmasses deuten ebenso darauf hin wie die Tatsache, dass der palmo romano im Codex Destailleur D mehrfach im Maßstab 1 : 1 abgebildet ist, was auf eine mangelnde Vertrautheit der Zeichner mit diesem Mass schließen lassen könnte. 

Damit dürften die Antikenstudien sich in die späten 1530er bzw. frühen 1540er Jahre datieren lassen, denn die weitgehende stilistische Einheitlichkeit schliesst eine sich über mehr als ein Jahrzehnt hinziehende Entstehung sicherlich aus. Der genannte Zeitraum wäre nicht nur für eine einfache Datierung der Studien und übliche historische Einordnung wichtig, sondern könnte ihnen einen geradezu einmaligen Status verleihen als Ergebnisse der vermutlich sowohl umfangreichsten als auch methodisch einheitlichsten und aufwendigsten Vermessungskampagne der Renaissance. Während die mögliche Beziehung zum Antikenprojekt der vitruvianischen Accademia della Virtù unten erörtert wird, muss die Untersuchung des Verhältnisses zu den Antikenstudien Palladios einer eigenen Arbeit vorbehalten bleiben, die jedoch erst nach Wiedereröffnung des gegenwärtig [2000–2001] seinen Standort wechselnden Royal Institute of British Architects und dem Studium der dortigen Palladio-Zeichnungen nach dem Herbst 2001 möglich sein wird. Als grundlegende Hypothese kann schon jetzt formuliert werden, dass Palladios Zeichnungen — trotz der vor allem von Heinz Spielmann beobachteten Unterschiede zu denen des Codex Destailleur D — vermutlich auf dieselbe Kampagne zurückgehen und sich die genannten Abweichungen als nachträgliche 'Korrekturen' Palladios und seiner Mitarbeiter interpretieren lassen, die bei der teilweise um Jahrzehnte später liegenden Erstellung der meisten der heute erhaltenen (Rein-) Zeichnungen aufgrund der Aufzeichnungen aus Palladios römischem Aufenthalt zu Anfang der 1540er Jahre vorgenommen wurden.

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