2. Entstehungsort Rom
These
Der Hauptzeichner des Codex Destailleur D war zum Zeitpunkt der Entstehung der Zeichnungen in Rom anwesend; es handelt sich somit nicht um später oder gleichzeitig an anderen Orten entstandene Originale oder Kopien nach römischen Vorlagen. Der Nachweis der tatsächlichen Anwesenheit des Zeichners ist wichtig zur Sicherung des Quellenwertes der Blätter und damit der aus ihrer Analyse abgeleiteten Schlussfolgerungen. — Diese These gilt natürlich nur im übertragenen für jene Zeichnungen (Antikenstudien, Zeichnungen zur 'Casa Sancta' im Dom von Loreto), deren Objekte sich nicht in Rom befinden und die deshalb entweder als Kopien anzusehen sind oder auf Reisen des Zeichners entstanden sein dürften.
Begründung
Da es bisher keinesfalls als vollkommen gesichert gelten kann, dass die Blätter tatsächlich in Rom entstanden, zumal sich keine entsprechenden Aufschriften oder Datierungen unter den Beischriften des bzw. der Zeichner/s finden lassen, muss der Nachweis über Indizien geführt werden: Zum einen zählt zu diesen die Tatsache, dass nach den bisher publizierten Wasserzeichenkatalogen Rom als einziger Ort in Frage kommt, an dem die Papiere mit den im Codex Destailleur D erscheinenden Wasserzeichen während eines längeren Zeitraums im 16. Jahrhundert verfügbar gewesen sein können. Da aber die Lokalisierung und vor allem die Abbildung vergleichbarer Wasserzeichen z.B. bei Briquet [Briquet 1923] oft nicht als ausreichend angesehen werden kann, wäre eine Stützung (oder Widerlegung) dieser These vor allem von dem Wasserzeichenkatalog zu erwarten gewesen, den Heinrich Wurm für den dritten Band des 'Corpus' der Sangallozeichnungen' vorbereitet hat, welcher jedoch bisher noch nicht veröffentlicht ist. [Als 'Corpus der Sangallozeichnungen' bzw. kurz: 'Corpus' werden hier gelegentlich zusammenfassend die von Nicolas Adams und Christoph Luitpold Frommel herausgegebenen Bände der Reihe 'The Drawings of Antonio da Sangallo the Younger and His Circle' bezeichnet. Bisher sind erschienen: [Sangallo (1994)] und [Sangallo (2000)]. Der dritte Band mit den Antikenstudien und dem Wasserzeichenkatalog steht leider noch aus.
Weitere Argumente zur Stützung der These ergeben sich aus inhaltlichen Besonderheiten der Einzelzeichnungen, auf die an entsprechender Stelle im Text verwiesen wird. Zumindest im Falle von Bl. 61r ist die Anwesenheit des Zeichners durch seine eigenen Äusserungen belegt, da er hier von selbst durchgeführten Vermessungen spricht: Dies schliesst jedoch natürlich nicht aus, dass die Zeichnungen selbst erst nachträglich auf der Grundlage von Skizzen entstanden. — Ein Beispiel für ein offensichtlich nicht auf genauer, persönlicher Kenntnis des Gegenstandes beruhendes Blatt stellt Bl. 111r dar: Die vielen Ungenauigkeiten und Fehler gegenüber dem ausgeführten Kuppelfußgesims Michelangelos schließen eine Autopsie durch den Zeichner weitestgehend aus und sind ein Argument für die Annahme, dass er zum Zeitpunkt der Entstehung dieses Gesimses schon nicht mehr in Rom weilte bzw. zumindest keinen Zugang zur Fabbrica mehr hatte.